07.04.2022 / 18:30 Uhr

Screen & Treat: Krisenintervention und Psychotherapie bei neu angekommenen Geflüchteten

„Screen & Treat: Krisenintervention und Psychotherapie bei neu angekommenen Geflüchteten“,

Vortrag durch Prof. Dr. Frank Neuner 

TÜBINGEN – Am 7. April um 18:30 Uhr eröffnet Prof. Dr. Frank Neuner die 22. DGVT-Workshoptagung. Der Vortrag für Fachpublikum ist online und die Teilnahme kostenlos. Frank Neuner, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bielefeld und Leiter der angeschlossenen Hochschulambulanz, referiert zum Thema „Screen & Treat: Krisenintervention und Psychotherapie bei neu angekommenen Geflüchteten“.

 

Seit Jahrzehnten fliehen Menschen aus Afrika, Asien und nun auch ganz aktuell aus Osteuropa nach Deutschland, um vor Krieg und Verfolgung Schutz zu suchen. Häufig kommen traumatisierte Geflüchtete in größerer Zahl gleichzeitig an. Eine Herausforderung – auch für die psychotherapeutische Versorgung.

Unselektierte Behandlung hat sich nicht bewährt und kann sich unter Umständen sogar nachteilig auswirken. Prof. Dr. Frank Neuner stellt den „Screen & Treat Ansatz“ vor: Personen mit tatsächlichem Unterstützungsbedarf werden dabei systematisch identifiziert und es wird, je nach Dringlichkeit, entweder sofort interveniert oder aufgeklärt und abgewartet.

Prof. Dr. Frank Neuner arbeitet seit 25 Jahren wissenschaftlich und therapeutisch mit Geflüchteten in Afrika, Asien und Deutschland. Er ist international bekannt als einer der Entwickler der Narrativen Expositionstherapie (NET), dem in Leitlinien empfohlenen Verfahren zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Opfern von Krieg und Verfolgung. Er hat mehrere randomisiert kontrollierte Therapiestudien mit Kriegsopfern in Afrika, Asien und Europa durchgeführt. Seine Expertise ist die Ätiologie, Epidemiologie und Behandlung komplexer Traumafolgestörungen bei Opfern von Kriegen und Kindesmisshandlung.

Die von Prof. Dr. Frank Neuner mitentwickelte Narrative Expositionstherapie (NET) entstand auf Basis der Behandlung von Verfolgten des Pinochet-Regimes in Chile. Inzwischen hat sich diese Therapiemethode als kulturübergreifend bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen als effektiv erwiesen. Bei der NET erzählen Betroffene durch Therapeut*innen angeleitet, in chronologischer Reihenfolge und die Verarbeitung begünstigenden Weise von ihren traumatischen Erlebnissen. So wird über durchschnittlich zehn bis zwölf Sitzungen die komplette Lebensgeschichte der Betroffenen bis zur Gegenwart nacherzählt und die erlebten Schrecken dabei gewissermaßen „vergeschichtlicht“. Beim Pendeln zwischen intensivem Wiedererleben und Verankerung im gegenwärtigen Moment soll die Distanz von „damals“ zu „heute“ verinnerlicht werden und erlebte Traumata autobiografisch eingeordnet, benannt und verarbeitet werden.

Diese Vorgehensweise empfiehlt sich aber, genau wie andere expositions-basierte Ansätze, nicht als „one fits all“-Lösung für alle Betroffenen nach einem einzelnen traumatischen Ereignis. Welche Personen von Trauma-spezifischen Interventionen profitieren und bei welchen es in Abgrenzung dazu vor allem darum geht, Barrieren für zukünftige psychotherapeutische Behandlungen abzubauen und abzuwarten, erklärt Prof. Neuner in seinem Vortrag.

Neben Prof. Dr. Frank Neuners Eröffnungsrede zu „Screen & Treat“, die für ein breites Publikum kostenlos zugänglich ist, bietet die 22. DGVT-Workshoptagung als Fachveranstaltung in insgesamt 25 Workshops vielfältige Möglichkeiten der psychotherapeutischen Weiterbildung. Unter dem Tagungstitel „Change it – Veränderungsprozesse in der Psychotherapie“ wird das vielfältige Bild von Methoden und Möglichkeiten der modernen Verhaltenstherapie von erfahrenen Referent*innen praxisorientiert vorgestellt.

Die Teilnahme ist kostenlos.

 

Veranstaltungsort

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